Das Leben als Zwerg,
als Riese
und als Versuchskaninchen.
Dieser Weg ist manchmal ziemlich holprig, aber wir lernen immer etwas dabei. Oder zumindest meistens. Und auch wenn wir uns dabei manchmal wie menschliche Versuchskaninchen fühlen, hilft es uns, unsere KundInnen basierend auf gelebter Erfahrung zu unterstützen. Und nicht nur, weil wir da mal ein Buch gelesen haben.
Wenn du jetzt also neugierig bist, was wir auf unserer Reise als dwarfs and Giants bisher gelernt haben, welche Formate unsere Stresstests überlebt haben und welche nicht, dann lies weiter.
Die 4 Räume einer Organisation
Für einen leichteren Überblick zu erhalten, stützen wir uns auf die „Language of Spaces“ – ein von Christiane Seuhs-Schöller entwickeltes Konzept. Es definiert vier Räume einer Organisation:
- Der strukturelle Raum: Wie wir unsere Organisation strukturieren, Rollen definieren, Autorität verteilen und unsere Abläufe entwickeln.
- Der operative Raum: Wie wir bei unserer täglichen Arbeit interagieren, welche Rollen wir ausfüllen, welche Prioritäten wir setzen, welchen Inhalt unsere Arbeit hat.
- Der zwischenmenschliche Raum: Unsere Beziehungen von Mensch zu Mensch innerhalb und außerhalb der Arbeit, unsere Gruppendynamik und sozialen Muster.
- Der individuelle Raum: Die Arbeit und die Prioritäten jedes Einzelnen, seine/ihre Fähigkeiten, Stärken, Schwächen; der individuelle Lebens-Purpose der Einzelnen und wie sie die verschiedenen Lebenbereiche ausbalancieren und integrieren; sowie wie die Organisation die persönliche und berufliche Entwicklung unterstützt.
Diese Räume sind meist gleichzeitig im Spiel. Wenn ich mit einem/r Kollegen/in ein Problem habe, kann das mehrere Aspekte beinhalten. Einer könnte zwischenmenschlich sein, weil ich mich von ihm/ihr nicht verstanden fühle. Einer könnte strukturell sein, weil sich unsere Rollen überschneiden und wir uns daher ständig gegenseitig auf die Füße treten. Einer könnte operativ sein, weil ich eine bestimmte Aufgabe von ihm/ihr erledigt brauche, um bei einem für mich wichtigen Projekt voranzukommen, anderen Aufgaben aber Vorrang eingeräumt wird. Einer könnte individuell sein, weil ich die Angewohnheit habe, zu lange zuvorkommend und nett zu sein, und erst dann das Wort ergreife, wenn ich schon ziemlich wütend bin, was es dann schwieriger macht, in einen konstruktiven Dialog zu treten.
Um diese kniffligen Probleme zu lösen, finden wir es hilfreich, wenn jeder dieser vier Räume passende Strukturen und Formate beinhaltet, damit jeder Aspekt eines Problems so effektiv wie möglich gelöst werden kann. Die Lösung eines zwischenmenschlichen Konflikts erfolgt in der Regel auf eine andere Art und Weise als die Lösung eines Rollendefinitions- oder Prioritätenkonflikts. Eine gute Rollenverteilung zu schaffen, funktioniert ganz anders als jemanden bei der Änderung seiner Konfliktmuster zu coachen.
Die Formate, die wir selbst in den vier Räumen verwenden
Nach diesem kurzen theoretischen Exkurs schauen wir uns an, wie dwarfs and Giants (kurz: dG) organisiert ist. Und wie bei jeder guten Geschichte fangen wir vorne an.
Der strukturelle Raum
Eines der Gründungsmotive von dG war der Drang, rollenbasierte Selbstorganisation tatsächlich in die Praxis umzusetzen und den strukturellen Teil richtig hinzubekommen. Das bedeutete: Purpose, rollenbasierte Selbstorganisation und eine rechtliche Struktur, die – soweit es unser Rechtssystem erlaubt – die zugrunde liegenden Werte widerspiegelt.
Für die rollenbasierte Selbstorganisation verwenden wir nach wie vor Holacracy. Das bedeutet klare und transparente Rollen, die in Kreisen zusammengefasst sind, anstatt einer Management-Hierarchie mit einigen Personen an der Spitze und anderen am unteren Ende. (Unsere Rollenstruktur ist sogar öffentlich transparent, zu sehen, hier in der offiziellen Holacracy-Software „Holaspirit“.)
Es gibt keine „GründerInnen“-Rolle; die vier Personen am Anfang waren lediglich frühe Mitglieder. Es gibt keinen Unterschied bei den Rechten und Pflichten zwischen den früheren und den späteren Mitgliedern; keine Firmenwagen für das Management (weil es keine Managerrolle gibt und ohnehin keine Firmenwagen); keine persönlichen AssistentInnen; keine Sonderentscheidungsrechte oder Sonderbudgets.
Die juristischen Geschäftsführer der dwarfs and Giants GmbH & Co KG haben keine besonderen Entscheidungsbefugnisse jenseits dessen, was die Rolle des „@Legal dG Representative” (die juristische Repräsentation von dG) umfasst. In der Praxis bedeutet das vor allem, dass sie die Dokumente unterschreiben, die ihre Unterschrift erfordern. Darüber hinaus gibt es weder spezielle Unternehmensvorteile noch besondere Befugnisse in Bezug auf Budget, Einstellungen und Entlassungen, Strategie, Ressourcenzuweisungen usw. Sascha und Matthias haben sich entschieden, diese Rolle auszufüllen – nicht um dadurch einen gewissen Status zu erhalten, sondern weil man in einer GmbH & Co KG mindestens eine Person als rechtlich eingetragene/n GeschäftsführerIn braucht. Es musste halt irgendjemand tun. Und die beiden haben sich dankenswerterweise dazu bereit erklärt.
Holacracy bedeutet auch, dass es einen klaren, effizienten Prozess für die Aktualisierung unserer Rollen- und Entscheidungsstrukturen gibt: den „Governance-Prozess“ (Details zu diesem Prozess sind im Holacracy-Regelwerk festgelegt). Da wir die meiste Zeit bei unseren KundInnen verbringen und von daher nicht allzuviel Zeit für Meetings haben, treffen wir 99% unserer Governance-Entscheidungen über die Kommunikationsplattform Slack: Jeder kann eine Änderung vorschlagen, und wenn nach vier Tagen niemand widersprochen hat, ist der Vorschlag angenommen. Das verbleibende eine Prozent der Entscheidungen wird in gesonderten Governance-Meetings getroffen. Das geschieht jedoch nur in den Fällen, in denen ein Vorschlag sehr komplex oder sehr umstritten ist.
Budget-Entscheidungen werden auf ähnliche Weise getroffen, wie in unserer Richtlinie „Spending our Gold“ auf Holaspirit ersichtlich: Jedes dG-Mitglied, das mehr als 300 Euro für eine seiner Rollen ausgeben möchte, muss nur seine Absicht auf Slack posten. Wenn nach vier Tagen kein Organisationsmitglied widersprochen hat, gilt der Vorschlag als angenommen. Bei Beträgen unter 300 Euro kann jede/r die Ausgaben nach eigenem Ermessen tätigen; es sind keine weiteren Rückmeldungen oder Verfahren erforderlich. Dieser sehr einfache Prozess funktioniert gut genug für eine Organisation unserer Größe. Sollten wir irgendwann doch ein komplexeres Verfahren benötigen, kann jede/r das Governance-Verfahren dafür nutzen, einen neuen Prozess vorzuschlagen, wie wir Ausgabenentscheidungen treffen sollten. Und weil der Governance-Prozess veränderungsfreundlich angelegt ist, besitzt jeder Vorschlag eine hohe Wahrscheinlichkeit angenommen zu werden – zumindest, so lange er der Organisation nicht schadet oder sie zurückwirft.
Die Gehälter sind bei uns ebenfalls transparent. Es gibt auch keine projektbezogenen Provisionen, wie bei vielen anderen Beratungsfirmen, sondern alle Einnahmen kommen in einen gemeinsamen Topf. Aus diesem Topf verteilen wir das Geld aufgrund unseres Verfahrens zur Einstufung der Gehälter – ebenfalls hier auf Holaspirit nachzulesen. Die Einstufungskriterien basieren auf den Fähigkeiten und Erfahrungen, die jemand ins Unternehmen einbringt. Das heißt nicht, dass wir in finanzieller Hinsicht alle gleichgestellt sind, denn es gibt klare und transparente Gründe für die Unterschiede.
Unsere Rechtsform funktioniert ähnlich wie die Partnerschaft in einer Anwaltskanzlei, wobei etwa 75% der dG-Mitglieder juristische Partner auf Augenhöhe in der GmbH & Co KG sind. Leider ist das Ganze noch unvollständig, denn für einige Rollen (z. B. in der Buchhaltung) bedeutet dies, dass sie Angestelltenverträge haben, die ihnen ein anderes Rechtsverhältnis zum Unternehmen geben, was für sie – zumindest bis jetzt – zu einem anderen Gehaltsverfahren geführt hat. (Was für uns Grund genug ist, unser derzeitiges Gehaltssystem zu aktualisieren.) Das österreichische Rechtssystem gibt uns aber nur sehr begrenzte Möglichkeiten, die Prinzipien der Selbstorganisation in unserer Rechtsstruktur umzusetzen. Die in Deutschland aufkommende „Purpose ownership“-Struktur, die wir gern eingeführt hätten, ist in Österreich rechtlich nicht möglich. Aber immerhin sind Selbstorganisation und Purpose in unseren GmbH-Verträgen verankert, sodass kein/e GründerIn oder GeschäftsführerIn eines Tages entscheiden kann, alles zu beenden und zu einer hierarchischen Struktur überzugehen.
Überblick über den strukturellen Aufbau von dG:
- Holacracy bietet einen klaren Prozess für die Definition und Anpassung von Rollen und Abläufen, wobei die Verantwortung dorthin verteilt wird, wo das Fachwissen liegt und nicht an der Spitze konzentriert wird. Jede/r kann Vorschläge zur Änderung von Rollen oder Abläufen machen, und die Vorschläge gelten als angenommen, wenn es keine berechtigten Einwände gibt. Dasselbe gilt (derzeit) für Budgetentscheidungen, doch dieser Prozess wird eventuell zu einem späteren Zeitpunkt angeglichen.
- Für jedes Mitglied des Unternehmens gelten dieselben Rechte und Pflichten. Unterschiede in der Entscheidungsgewalt zwischen den PartnerInnen ergeben sich aus den Rollen, die sie aufgrund ihres Fachwissens oder ihrer Zeitressourcen einnehmen und nicht von ihrem speziellen Status. Keine Firmenwagen für das Management, keine besonderen Entscheidungsrechte für Gründungsmitglieder oder rechtlich eingetragene GeschäftsführerInnen.
- Die Gehälter sind für alle transparent. Gehaltsunterschiede werden auf der Grundlage transparenter Kriterien in einem expliziten Verfahren festgelegt. Auch dieses Verfahren kann innerhalb des Governance-Prozesses weiterentwickelt werden.
- Die rechtliche Struktur von dG versucht, dies – so weit wie möglich innerhalb des österreichischen Rechtssystems – zum Ausdruck zu bringen, was jedoch leider nicht in dem Maße möglich ist, wie wir es uns wünschen.
Der operative Raum
Unsere operativen Abläufe sind wahrscheinlich viel langweiliger als der strukturelle Aufbau. Da wir ein Unternehmen sind, dass vor allem die Zeit von PartnerInnen in Form von Workshop-Tagen verkauft, bestehen unsere internen Formate hauptsächlich aus einzelnen Tagen. Etwa einmal im Monat veranstalten wir in unserem Büro in Wien einen Teamtag namens „Harbor Day” (ein Tag im Hafen), an dem alle Beratungsschiffe, die unter der Woche hinaus in die Welt segeln, zum Ausruhen und für Reparaturen in den Hafen zurückkehren. Mit Schiffen meinen wir Menschen. Es ist eine Metapher. Anyway!
An diesen Harbor Days haben wir Meetings zur Synchronisation, wie zum Beispiel im Customer Facing Circle oder im General Company Circle. Wir bekommen Status-Updates von Projekten, die für das gesamte Unternehmen wichtig sind; wir schauen uns den monatlichen Finanzbericht an, und wir haben Zeit für verschiedene Ad-hoc-Meetings. Es gibt eine Rolle, die „@Master of Ceremony“ genannt wird und die Vorschläge für Themen entgegennimmt und dann die Tagesordnung für den Tag festlegt. (Aber leider keine Rap-Battles moderiert. ;))
Eine der Besprechungen, die wir an jedem zweiten Harbor Day abhalten, dreht sich um unseren so genannten Focus Board Prozess für die Planung und Steuerung unserer Ressourcen. Denn eines der Risiken der rollenbasierten Selbstorganisation besteht darin, dass jedes Mitglied strategische Initiativen auf Grundlage von persönlichen Interessen starten kann, was manchmal ein wenig willkürlich und überwältigend sein kann – besonders dann, wenn diese individuellen Initiativen dieselben begrenzten organisatorischen Ressourcen benötigen, wie Marketing- oder Designkapazitäten oder gemeinsame Zeit am Harbor Day. Deshalb funktioniert es bei uns seit 2019 so, dass man, wenn man eine Initiative starten will, die mehr als nur die eigene Arbeitszeit in Anspruch nimmt, sich dafür im Focus Board Prozess das OK der Organisation holen muss. Dabei geht es vor allem darum, wie sehr diese Initiative unseren Purpose voran bringt. Mehr darüber erfährst du im folgenden Artikel über unseren Fokussierungsprozess: „Death by Too Many Great Ideas“ (nur in Englisch verfügbar).
Zusätzlich haben wir einige Formate, die direkt mit dem Inhalt unserer Beratungstätigkeit verbunden sind. Viele davon haben englische Bezeichnungen da wir auch mit internationalen PartnerInnen zusammenarbeiten – und eh gerne neue Wörter kreieren :)
- Creathons: Sechs Tage im Jahr, an denen wir das, was wir bei unseren Projekten gelernt haben, aufschreiben und unseren KollegInnen zur Verfügung stellen, damit sie es bei ihrer Arbeit mit den KundInnen verwenden können.
- Consulting Common Ground Labs: wie ein „Labor für unsere gemeinsame Beratungspraxis“ – vier Tage im Jahr, um voneinander zu lernen und eine stabile gemeinsame Basis für die Arbeit in Transformationsprojekten zu schaffen.
- Feedback-Tage: An mindestens einem Tag im Jahr finden Rollen-Feedbacks für jede Person in der Organisation statt, und es gibt einen speziellen Tag für die Beratungsrollen („@Evolutionary Catalyst“, „@Engagement Lead“ und „@Account Orchestrator“ [Links zu den Rollen]), um sich gegenseitig professionelles Feedback auf der Basis unserer Beratungs-Fähigkeiten-Matrix zu geben.
Ein Teil unseres operativen Raums ist Strategie-Arbeit: Was ist der Purpose unseres Unternehmens? Welche Geschäftsmodelle und Dienstleistungen bieten wir wem und zu welchem Preis an? Welche Wirkung wollen wir in der Welt erzielen, und was sind unsere expliziten und überprüfbaren Annahmen, wie das real passiert? Im Kern: Was bewegen wir in der Welt, warum tun wir das, und wie können wir damit unsere Rechnungen bezahlen?
Der Purpose von dG war von Anbeginn sehr klar beschrieben:
Rewriting the future of organization.
Catalyzing the evolution of wholesome organizations.
Die Zukunft von Organisation neu schreiben.
Die Entwicklung ganzheitlicher Organisationen beschleunigen.
Darum geht es uns; dafür stehen wir morgens auf. Und dennoch: Als kleines, hochspezialisiertes Beratungsunternehmen fällt es mitunter schwer, diesem Purpose gerecht zu werden. Die Zukunft EINER Organisation neu schreiben? Nicht ganz leicht, aber machbar. Die Entwicklung einer Organisation hin zu noch mehr Ganzheitlichkeit begleiten? Ja, bitte, sehr gerne!
Aber die Zukunft von Organisation an sich neu schreiben? Dazu braucht es etwas anderes. Früher hatten wir noch gehofft, dass wir neben unserer Beratungstätigkeit ganz einfach noch tolle Artikel aus dem Ärmel schütteln könnten – auf dem Weg zum Bahnhof sozusagen. Nun ja, aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat das nicht geklappt. Eine neue Strategie musste her.
Deshalb setzen wir jetzt alles daran, aufzuschreiben, was wir gelernt haben und erstellen Onlinekurse (die bald veröffentlicht werden!), um unser gesamtes Wissen und die Erfahrung, die wir erworben haben, in die Welt hinauszutragen, anstatt nur zu unseren Kundenorganisationen.
Und ja, unser Focus Board Prozess hat uns dabei geholfen, diese Entscheidung klar zu treffen und mit konkreten Zeitressourcen zu unterfüttern, anstatt im Wunschdenken verhaftet zu bleiben.
Wir sollten wirklich mehr Artikel schreiben. – Ja, das sollten wir. – Wann hast du denn Zeit dafür? – Jetzt komm mir doch nicht mit so uninspirierenden Fragen.
Wenn wir Fragen zur tagtäglichen Priorisierung haben, gibt uns Holacracy eine klare Struktur zur Entscheidungsfindung vor. Generell hat jede/r das Recht, seine/ihre eigene Prioritäten zu setzen. Man kann nur von der Rolle „@Lead Link“ überstimmt werden, die die Autorität hat, über die Prioritäten in dem Kreis zu entscheiden, dem sie zugewiesen ist. Wenn du also mit einem Kollegen/in einen Prioritätenkonflikt hast, den du in einem Zweiergespräch nicht lösen kannst, kannst du den @Lead Link des jeweiligen Kreises bitten, die Entscheidung zu treffen. (Obwohl das sehr nach klassischem Management klingt, haben @Lead Links nur etwa 10% der Entscheidungsbefugnis, die ManagerInnen sonst haben. Es ist aber schon recht brauchbar, ein klares Entscheidungsfindungsverfahren zur Lösung von Prioritätenkonflikten zu haben; es wäre also nicht ratsam, die Entscheidungsgewalt des @Lead Links auf 0% herabzusetzen.)
Es gibt noch ein letztes Format, das uns hilft, tiefgreifende strategische Entscheidungen zu treffen: unsere zweimal im Jahr stattfindende Klausur, die Council Days. Nach der Sommerpause kommen wir für vier Tage zusammen, und um die Winterpause herum für zwei weitere Tage. Diese Tagen haben verschiedene Funktionen, von denen die wichtigsten die strategische und die zwischenmenschliche sind. Wir überprüfen unsere Langzeitentwicklungen und passen unsere Strategie bei Bedarf an. Und wir haben Raum und Zeit, um als Gemeinschaft von Menschen zusammenzukommen, und zwar intensiver, als es bei unserem vollen Terminkalender sonst möglich ist.
Überblick über die aktuellen Formate des operativen Raums von dG:
- Ein klarer, inspirierender, übergreifender und langfristiger Purpose gibt Orientierung, wofür diese Organisation da ist;
- Harbor Days zur internen Synchronisation;
- Regelmäßige kurze Synchronisationstreffen in den Kreisen, manchmal an Harbor Days, manchmal zu anderen Zeiten;
- Klare Verfahren zur Lösung von Priorisierungskonflikten;
- Focus Board Prozess zur Priorisierung strategischer Initiativen mit regelmäßigen Besprechungen (für gewöhnlich an Harbor Days);
- Creathons und Consulting Common Ground Labs zur Kodifizierung und zum internen Austausch unserer Erkenntnisse;
- Feedback Tage zur Entwicklung der individuellen fachlichen Expertise und Könnerschaft
- Council Tage zweimal im Jahr für tieferen zwischenmenschlichen Kontakt und zur strategischen Ausrichtung.
Der zwischenmenschliche Raum
Die Doppelfunktion der Council Days zur strategischen Ausrichtung und für zwischenmenschliche Verbindung bietet eine gute Brücke zur Betrachtung des zwischenmenschlichen Raums. Hier liegt der Schwerpunkt auf den Menschen, die Teil der Organisation sind, und ihren zwischenmenschlichen Beziehungen und Dynamiken.
Ein Format, das wir von Anfang an hatten, das hauptsächlich (aber nicht nur) im Beziehungsraum stattfindet, ist Supervision. Mit dGs Hintergrund in systemischer Beratung war es von Anbeginn an klar, dass dieses Format mit einem oder einer externen SupervisorIn entscheidend dafür ist, zu verhindern, dass wir Opfer unserer eigenen organisatorischen blinden Flecken werden. Daher widmen wir seit jeher 3-4 Tage im Jahr der Supervision durch erfahren systemische BeraterInnen.
Das war und ist überaus hilfreich, doch wir haben im Laufe der Zeit gemerkt, dass etwas fehlt: ein zuverlässiger Weg, um zwischenmenschliche Konflikte direkt und konstruktiv anzusprechen. Bei der systemischen Supervision liegt der Schwerpunkt für gewöhnlich nicht so sehr auf einzelnen Personen und ihren Problemen, sondern eher auf der allgemeinen sozialen und organisationalen Dynamik. Welche Muster scheinen funktional und welche nicht? Was können wir tun, um die dysfunktionalen Muster zu verändern? Diese Depersonalisierung ist manchmal sehr hilfreich, weil sie Schuldzuweisungen reduziert und eher die Faktoren betrachtet, die zu einer schwierigen Situation beitragen und wie wir sie beheben können. Manchmal ist sie aber auch kontraproduktiv, weil es zu einem Zögern führen kann, den anderen direkt und ehrlich anzusprechen. Es kann sich ein Muster verstärken, das bei vielen systemischen BeraterInnen anzutreffen ist: zur Meta-Reflexion überzugehen oder eine Frage zu stellen, wenn eine direkte Konfrontation oder eine klare Aussage hilfreicher wäre.
Für uns füllt der Clear the Air-Ansatz die Lücke. Wir begannen Ende 2016 mit der Umsetzung, indem wir vor allem die Council Days um einen Clear the Air-Part erweiterten. Das half uns, viele schwierige Gespräche zu führen, sogar solche, die dazu führten, dass wir uns von einigen KollegInnen trennten – oder sie sich von uns. Der große Unterschied bestand darin, dass wir in der Lage waren, die zugrundeliegenden Konflikte offen anzusprechen und schwierige Entscheidungen so zu treffen, dass wir uns gegenseitig immer noch in die Augen sehen konnten – auch wenn wir herausgefunden hatten, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich war.
Im Moment besteht unser regelmäßiger Rhythmus in einem halbtägigen Clear the Air-Meeting für die ganze Organisation, drei bis viermal im Jahr. Dort haben wir einen professionell moderierten Zeitraum, um Spannungen im zwischenmenschlichen Bereich zu klären. Das kann heißen, zwischenmenschliche Probleme oder Konflikte größeren Ausmaßes, an denen Menschen beteiligt sind, zu lösen. Das bedeutet aber auch, dass wir uns intensiv darüber austauschen, wie es jedem und jeder Einzelnen geht, und dass wir uns gegenseitig Wertschätzung ausdrücken. Ein eigener Raum für all die Dinge, die im Alltag leicht auf der Strecke bleiben können – insbesondere in Zeiten pandemie-bedingter Remote Arbeit im Home Office –, aber dennoch für eine stabile Vertrauensbasis und gegenseitige Unterstützung unerlässlich sind.
Wir haben auch interne und externe MediatorInnen für die Lösung von bilateralen Konflikten, für die bei Clear the Air-Meetings kein Platz ist. Jedes dG-Mitglied wird an mindestens zwei Tagen im Clear the Air-Ansatz geschult, sodass kleinere Konflikte viel leichter bilateral gelöst werden können. Zwei KollegInnen nehmen außerdem am einjährigen Clear the Air Facilitator Training teil, in dem sie lernen, schwierige Gespräche elegant zu moderieren sowie Clear the Air-Meetings zu leiten.
Wir haben nach wie vor regelmäßig externe Supervision, weil Supervision und Clear the Air-Treffen sich gegenseitig gut ergänzen. Wir verwenden gleich viel Zeit auf beide Formate, jeweils etwa drei bis vier halbe Tage pro Jahr.
Aber zum Glück geht es nicht immer darum, schwierige Gespräche zu führen! Wir haben auch eine Rolle, die sich @Party People nennt, die – wie kann es anders sein? – Feiern und lustige Zusammenkünfte organisiert: Weihnachtsessen, Personalausflüge, Boule-Spielen im Sommer, Sommeressen mit Mengen an Wein, über die man lieber den Mantel des Schweigens legt.
Zwischenmenschliche Interaktionen finden den ganzen Tag statt, in den großen und kleinen Momenten dazwischen. Sich erkundigen, wie es dem anderen geht; Geschichten vom Wochenende austauschen; sich in schweren Zeiten emotionalen Halt geben; sich mit dummen Witzen gegenseitig zum Lachen bringen. All die täglichen Interaktionen, die nicht geplant werden können und sollten, die aber durch unsere Formate unterstützt werden, um die Luft zwischen uns frei und sauber zu halten.
Überblick über die aktuellen Formate des zwischenmenschlichen Raums bei dG:
- 3-4 halbe Tage externer systemischer Supervision;
- 3-4 halbe Tage organisationsweiter CTA-Meetings;
- Interne und externe CTA-ModeratorInnen für fallbezogene Mediationen („CTA-Sessions“);
- 2 Tage Einführungsworkshop in den CTA-Ansatz für alle dG-Mitglieder + Zugang zum Online-Kurs über die Grundlagen von Clear the Air;
- Ein bis zwei dG-PartnerInnen nehmen am Clear the Air Faciliator Training teil;
- Party!!!
Der individuelle Raum
Inzwischen fragst du dich vielleicht: Wie fängt man bei dG an zu arbeiten, ohne gleich völlig überfordert zu sein? Die ehrliche Antwort lautet: Jede/r ist am Anfang ein wenig überfordert. Aber jede/r bekommt regelmäßig intensive Einzelunterstützung durch jemanden, der die Rolle „@Development Compass“ (Entwicklungskompass) innehat. Dort erhält man konkrete Unterstützung bei den aktuellen Herausforderungen sowie bei der Lösung von Problemen, mit denen man bei der täglichen Arbeit konfrontiert wird.
Jede/r neue PartnerIn nimmt auch an allen von uns angebotenen Workshops teil, die für unsere Art des Organisierens grundlegend sind. Das umfasst mindestens unsere zweitägige CTA-Einführung oder den Videokurs Masterclass für Feedbackkultur-Architekt:innen. Je nach Präferenz kann es auch eine dreitägige Einführung in die systemische Theorie, eine zweitägige Einführung in agile Arbeitspraktiken oder ein fünftägiges Gruppendynamik-Seminar sein.
Nicht zuletzt wissen wir, dass all das – Selbstorganisation, Gruppendynamik, Konflikte usw. – manchmal auch die eigenen roten Knöpfe drücken kann. Dafür haben wir auch eine Rolle, den „@Red Buttons Coach“, der in so einem Fall Hilfe anbieten kann. Da geht es oft darum zu sortieren: Was ist die Spannung im Hier und Jetzt? Und was ist eine schmerzhafte Erfahrung in meiner Biografie, die meine emotionale Reaktion verstärkt? Was hilft mir außerhalb der Organisation die emotionale Brisanz dieser Wunde zu entschärfen, damit ich dann klarer weiß, was ich tun kann, um das Problem im Hier und Jetzt zu lösen? Üblicherweise geht diese Problemlösung nach dieser inneren Sortierarbeit und dem entsprechenden “Dampf ablassen” auch deutlich leichter von der Hand. Du weißt dann auch viel eher, in welchem der vier organisationalen Räume es für dich gerade am sinnvollsten ist anzufangen:
- Möchtest du eine Änderung unserer Rollendefinitionen oder unserer Prozesse vorschlagen? (= struktureller Raum)
- Was benötigst du von einer anderen Rolle, und um was musst du bitten, um es zu bekommen? Welche Informationen möchtest du weitergeben oder anfordern? (= operativer Raum)
- Möchtest du einen Beziehungskonflikt lösen? Fühlst du dich bereit, es selbst zu tun, oder brauchst du eine unterstützende Moderation für dieses Gespräch? (= zwischenmenschlicher Raum)
- Möchtest du ein persönliches Muster ändern? Oder willst du inhaltlich bei deiner Arbeit etwas anders machen? Oder vielleicht nur den Mut aufbringen, eine Entscheidung zu treffen, zu der du bereits autorisiert bist? (= individueller Raum)
Die Entscheidung liegt ganz bei dir.
Darin besteht die wunderbare Freiheit und manchmal auch die Herausforderung ein Zwerg, ein Riese oder sein eigenes Versuchskaninchen zu sein.
Überblick über die aktuellen Formate des individuellen Raums bei dG:
- Jede/r PartnerIn hat das Recht auf einen eigenen Entwicklungskompass. Diese Rolle hilft dabei, sich der Probleme bewusst zu werden, mit denen man bei der Arbeit bei dG konfrontiert wird, und sie zu lösen.
- Jede/r PartnerIn kann an den von uns veranstalteten Workshops teilnehmen. Für einjährige Schulungen gibt es eine Obergrenze und ein Entscheidungsverfahren, um persönliche Lernbedürfnisse und betriebliche Notwendigkeiten im Hinblick auf die zeitliche Verfügbarkeit auszugleichen.
- Ein „@Red Buttons Coach“ kann bei der Durchdringung schwierigen emotionalen Terrains behilflich sein und zu Klarheit und Erleichterung beitragen.
... und was ist mit eurem Namen?
Eine sehr beliebte Frage! :) Die Metapher von Zwergen auf den Schultern von Riesen (Lateinisch: Nanos gigantum humeris insidentes.) drückt die Bedeutung aus von „Wahrheit entdecken, indem man auf früheren Entdeckungen aufbaut“. Obwohl es Bernhard von Chartres im 12. Jahrhundert zugeschrieben wurde, findet sich sein bekanntester englischer Ausdruck in Isaac Newtons Brief von 1676: „Wenn ich weiter gesehen habe, ist es, indem ich auf den Schultern von Riesen stehe.“
Diese Haltung beschreibt unser Verständnis von Fortschritt: Alles Neue basiert immer auf den Errungenschaften und Innovationen der Vergangenheit. Die Zwerge sehen auf den Schultern der Riesen etwas weiter und stoßen dadurch Innovation an.
If I have seen further, it is by standing on the shoulders of giants.
Isaac Newton