Praxis-Check

“Selbstorganisation muss reale Probleme lösen!”

Die gute Nachricht: Die New-Work-Revolution steckt nicht mehr in den Kinderschuhen. Praktiken der rollenbasierten Selbstorganisation sind in vielen Vorreiter-Organisationen bereits seit vielen Jahren im Einsatz. Neben Soziokratie und Holacracy haben sich eigene Modelle entwickelt, die Organisationen maßgeschneiderte Anpassung erlauben. Was sind 2024 Herausforderungen und Potenziale solcher Modelle? Welche Dynamiken und Phänomene werden sichtbar? Ein Praxis-Einblick.

  • 21. März 2024
    Lesezeit 3 Minuten

Wir sind 2015 angetreten, um die Zukunft der Arbeit neu zu gestalten. Ein essenzieller Baustein dieser Zukunft sind neue Modelle der Zusammenarbeit und Führung - im Kontrast zur bislang dominanten Management-Hierarchie. Rollenbasierte Selbstorganisation basiert auf Prinzipien wie Transparenz, Augenhöhe aller Beteiligten und ständiger Weiterentwicklung. Welche Herausforderungen beschäftigen Menschen aktuell in solchen Organisationsmodellen? Wie entsteht ein lebendiger operativer Raum, basierend auf klaren Strukturen, eine tiefe zwischenmenschliche Verbindung und damit eine wirklich wirkungsvolle Zusammenarbeit? Und: Wie sieht Leadership in der Selbstorganisation aus? Einblicke aus der Praxis, basierend auf den vier Räumen einer Organisation:

Die 4 Räume einer Organisation nach Christiane Seuhs-Schoeller

Im strukturellen Raum wird oft beobachtet, dass Beschreibung von Rollen über-detailliert ausformuliert werden, um alle etwaigen Eventualitäten abzusichern. Die Herausforderung besteht aber tatsächlich in der Frage: Wie wollen wir hier zusammenarbeiten, um den Purpose des Kreises zu realisieren, UND weiterhin Erwartungen in Rollen zu klären?

Der operative Raum besteht aus viel mehr als nur Sync Meetings: Hier geht es ganz konkret um die bewusste, aktive Gestaltung der täglichen Zusammenarbeit von Rollen. Statt der Vereinzelung in Rollen ist die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel essenziell. Gemeinsam statt einsam!  Inspiriert von agilen Vorgehensmodellen wird Klarheit darüber geschaffen, wie eingehende Arbeit abgebildet, priorisiert und gemeinsam bewältigt wird. Dabei helfen Kennzahlen, die den Erfolg des gesamten Kreises messen und nicht nur den individuellen Erfolg.

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Das “Wozu”

Rollenbasierte Selbstorganisation braucht klare Ausrichtung. Hier stehen Vision, Strategie, Priorisierung und klare Kennzahlen für den Kreis im Mittelpunkt.

Zwei Menschen, die ineinander passende Puzzle-Teile halten
Das “Wie”

Es braucht ein breit gefächertes Repertoire an Arbeitsformaten, um in Kleingruppen effektiv wirksam zu werden - von agilen Vorgehensmodellen über Write Sprints bis hin zu Kreativmethoden wie Design Thinking. 

Im zwischenmenschlichen Raum ist “psychologische Sicherheit” der Game Changer. Die Google's "Project Aristotle" liefert Erkenntnisse darüber, was Teams benötigen, um Höchstleistungen zu erbringen - zum Beispiel, sagen zu können, was man denkt, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Konflikte und Spannungen werden nicht nur in Governance- und Tactical-Meetings gelöst, sondern durch Retrospektiven zur zwischenmenschlichen Zusammenarbeit, Methoden wie "Clear the Air" und Feedback. 

Der individuelle Raum macht deutlich, dass "New Work" auch "Inner Work" erfordert (Buchtipp: New Work needs Inner Work von Joana Breidenbach & Bettina Rollow). In einer selbstorganisierten Struktur werden Hierarchien durchbrochen, was die eigenen blinden Flecken deutlicher hervortreten lässt. 

Am Ende gilt: Selbstorganisation muss reale Probleme lösen und stets den “Business Need” im Blick behalten. In Transformationsprozessen kann es passieren, dass die Beschäftigung mit dem Innen viel Raum einnehmen, zB die vier Räumen, Rollenbeschreibungen und Sync-Meetings. Organisationen sind aber tatsächlich mit realen Business-Problemen konfrontiert, und darauf sollte Selbstorganisation eine Antwort sein. Neue Arbeitsmodelle sind kein Selbstzweck.

Wie gelingt Führungsarbeit in der Selbstorganisation?

Selbstorganisation braucht mehr Führung, nicht weniger! Führungsarbeit in der Selbstorganisation unterscheidet sich von traditionellem Denken in Führungskräften und wird an vielen verschiedenen Stellen benötigt - wo früher alles in einer Führungskraft gebündelt war, wird heute Führungsarbeit auf vielen Schultern verteilt.  “Die Führungsstruktur muss mitziehen!”

Danke an alle ExpertInnen & EnthusiastInnen, die ihre Erfahrungen beim Meetup “Selbstorganisation in der Praxis” Anfang 2024 geteilt haben: Menschen aus den unterschiedlichsten Organisationen und Branchen, vom Tech-Start-Up bis zur Metallindustrie, mit 50 bis 2.800 MitarbeiterInnen. Der Austausch hat wieder deutlich gezeigt, dass Selbstorganisation mehr ist als nur ein Framework – sie ist ein Paradigmenwechsel, der alle Ebenen der Zusammenarbeit und Führung durchdringt. Der Weg zu erfolgreicher Selbstorganisation erfordert ein tieferes Verständnis und Engagement auf allen relevanten Ebenen der Organisation. Weitere spannende Themen im Backlog sind:

  • Strategieprozesse in der Selbstorganisation
  • Interzirkuläre Kommunikation
  • Kreis-Gesundheit: Woran erkenne/messe ich sie?
  • Good Practices für Kreis-BotschafterInnen

Was beschäftigt dich zum Thema Selbstorganisation?
Wir freuen uns über ein Gespräch:

Anna Wohlesser
a.wohlesser [at] dwarfsandgiants.org (a[dot]wohlesser[at]dwarfsandgiants[dot]org)
Björn Rabethge
b.rabethge [at] dwarfsandgiants.org (b[dot]rabethge[at]dwarfsandgiants[dot]org)

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